Die Gen Z hatte recht und Islands 4 – Tage-Woche beweist es

Lange als Utopie belächelt, jetzt wissenschaftlich erprobt: Seit einigen Jahren sorgt Island international für Schlagzeilen: Das Land hat als Vorreiter mit einer „4-Tage-Woche“ experimentiert – also einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf etwa 35–36 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Was zunächst wie eine gewagte arbeitsmarktpolitische Idee klang, entwickelte sich zu einem vielbeachteten Pilotprojekt. Auswertungen aus dem Jahr 2024 zeigen nun, wie nachhaltig diese Arbeitszeitverkürzung die Arbeitswelt in Island verändert hat und liefern aktuelle Erkenntnisse für Personalverantwortliche weltweit.

Inhaltsverzeichnis

Islands Vorreiterrolle und globales Interesse

Island hat mit seinem groß angelegten Versuch einer Arbeitszeitverkürzung wichtige Maßstäbe gesetzt. Bereits zwischen 2015 und 2019 fanden in Reykjavík und landesweit zwei groß angelegte Trials mit einer 35–36-Stunden-Woche (ohne Gehaltskürzung) statt. Rund 2.500 Beschäftigte – über 1 % der isländischen Arbeitnehmerschaft – nahmen daran teil. Die Ergebnisse dieser ersten Versuche wurden 2021 in einem Bericht der Association for Sustainability and Democracy (Alda) und des britischen Think Tanks Autonomy veröffentlicht. Schon damals bezeichneten die Forscher die Trials als „überwältigenden Erfolg“, da Produktivität und Dienstleistungsniveau in der Mehrheit der beteiligten Betriebe gleich blieben oder sich sogar verbesserten. Gleichzeitig stieg das Wohlbefinden der Beschäftigten deutlich – Stress und Burnout gingen zurück, die Gesundheit und Work-Life-Balance verbesserten sich. Dieses positive Fazit sorgte weltweit für Aufmerksamkeit und inspirierte andere Länder.

Wichtig: Gleichzeitig optimierten die Betriebe ihre Abläufe, um Effizienzgewinne zu erzielen. Meetings wurden verkürzt oder durch E-Mails ersetzt, und überflüssige Aufgaben konsequent gestrichen. Dieses „Entrümpeln“ des Arbeitsalltags sollte sicherstellen, dass trotz weniger Stunden kein Produktivitätseinbruch erfolgt. Die Testphase umfasste unterschiedlichste Arbeitsplätze – vom Büro bis zum Gesundheitsdienst – und wurde von dem britischen Thinktank Autonomy und der isländischen Non-Profit-Organisation Alda wissenschaftlich begleitet.

Produktivität bleibt stabil, Zufriedenheit steigt

Die Ergebnisse nach Auswertung aller Daten klingen fast zu schön, um wahr zu sein. In der großen Mehrzahl der Fälle blieb die Produktivität konstant oder verbesserte sich sogar leicht, wie es im Abschlussbericht heißt. Weder die Unternehmen noch die Kundschaft litten unter den verkürzten Arbeitszeiten – im Gegenteil: Viele Teams berichteten von effizienteren Abläufen und einer konzentrierteren Arbeitsweise, sobald unnötige Tätigkeiten eliminiert waren. Das Experiment blieb zudem budgetneutral für die öffentlichen Arbeitgeber, da keine zusätzlichen Stellen geschaffen werden mussten.

Noch beeindruckender sind die Effekte auf die Belegschaft. Die teilnehmenden Mitarbeitenden fühlten sich deutlich gesünder und weniger gestresst. Sie berichteten von besserer Work-Life-Balance und weniger Burnout-Gefährdung. Durch den gewonnenen freien Halb- oder Ganztag hatten sie mehr Zeit für Familie, Hausarbeit, Erholung und Hobbys – Lebensbereiche, die zuvor oft zu kurz kamen. „Die kürzere Arbeitswoche in Island zeigt uns, dass es in modernen Zeiten nicht nur möglich ist, kürzer zu arbeiten, sondern dass auch Veränderung möglich ist“, resümiert Gudmundur Haraldsson von Alda, der das Projekt mit auswertete. Kein Wunder also, dass die Studienautoren von einem „überwältigenden Erfolg“ sprechen.

Tatsächlich blieb es in Island nicht bei einem einmaligen Versuch. Auf Druck der Gewerkschaften wurden die positiven Ergebnisse direkt in neue Tarifverträge überführt. Seit Abschluss der Experimente haben rund 86 % der isländischen Beschäftigten mittlerweile Anspruch auf eine verkürzte Arbeitszeit. Mit anderen Worten: Die 4-Tage-Woche (bzw. allgemein eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn) ist dort vom Nischenexperiment zum breiten Angebot geworden.

Auch international sorgten die Resultate für Aufsehen. Medien weltweit berichteten über Islands Vorstoß und auch wir selbst informierten bereits über das durchgeführte Pilotprojekt in Deutschland. In Ländern wie Neuseeland oder Japan starteten ähnliche Projekte – Microsoft Japan etwa meldete einen Produktivitätssprung von 40 %, als es testweise die Arbeitswoche auf vier Tage verkürzte. In England ließ sich die britische 4-Day-Week-Bewegung von den isländischen Ergebnissen inspirieren und startete 2022 einen eigenen groß angelegten Pilotversuch mit 60 Unternehmen. Ebenso testet Spanien seit 2021 die Vier-Tage-Woche in kleinen und mittleren Unternehmen mit staatlicher Förderung. Die internationalen Pilotprojekte unterstreichen die Relevanz des isländischen Modells: Es zeigt eine realistische Möglichkeit auf, die Arbeitszeit zu reduzieren, ohne wirtschaftliche Einbußen – ein Thema von großem Interesse für HR-Managerinnen und Personalentscheider*innen weltweit.

Kritik: Wie belastbar sind die Ergebnisse?

Trotz aller Euphorie stellen sich Fachleute die Frage, wie belastbar die Erkenntnisse aus Island tatsächlich sind. Einige Kritiker*innen verweisen auf methodische Schwächen und mahnen zur Vorsicht bei der Interpretation der Resultate. Die wichtigsten Kritikpunkte im Überblick:

  • Subjektive Messung statt harter Daten: Viele Resultate beruhen auf Selbstauskünften der Teilnehmer*innen (etwa zum Stressempfinden oder zur Zufriedenheit). Ein objektiver Vorher-nachher-Vergleich konkreter Leistungskennzahlen fehlt weitgehend. So wurde z. B. nicht exakt gemessen, ob und wie stark sich die tatsächliche Output-Menge pro Stunde veränderte – man verließ sich eher auf die Wahrnehmung von Führungskräften und Mitarbeitenden. Eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation mit Kontrollgruppen fand nicht statt.
  • Keine ökonomische Begleitung: Unter den Autor*innen der Studie war kein Arbeitsökonom bzw. keine Ökonomin. Aspekte wie langfristige betriebswirtschaftliche Auswirkungen oder volkswirtschaftliche Effekte wurden nicht explizit durchgerechnet. Kritiker monieren, dass eine fundierte ökonomische Analyse des Versuchsdesigns fehlt.
  • „Vier Tage“ nur dem Namen nach: In vielen Fällen reduzierten die Beschäftigten ihre Arbeitszeit von 40 lediglich auf 35–36 Stunden – oft verteilt auf vier etwas kürzere Tage oder viereinhalb Tage. Ein voller zusätzlicher Wochenfeiertag blieb also meist aus. Der populäre Begriff 4-Tage-Woche sei daher irreführend, so die Kritik, da eigentlich eher eine „4,5-Tage-Woche“ erprobt wurde. Mit einer radikalen 32-Stunden-Woche (vier Tage à 8 Stunden) wurde das Konzept nicht getestet.
  • Nicht repräsentative Branchen: Die Auswahl der teilnehmenden Betriebe gilt als nicht repräsentativ für die gesamte Volkswirtschaft. Hauptsächlich öffentliche Verwaltungen und Dienstleistungsbereiche nahmen teil. Industriebetriebe, Produktion oder Unternehmen mit Schichtarbeit (z. B. in der Pflege oder Fertigung) waren kaum im Programm vertreten. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf solche Branchen ist daher ungewiss.
  • Unklare Auswertung und fehlende Transparenz: Unbekannt bleibt, wie mit Fällen umgegangen wurde, in denen das Experiment scheiterte. Wurden Teilnehmende, die abbrechen mussten, im Bericht berücksichtigt oder nicht? Darüber gibt es keine Auskunft im veröffentlichten PDF. Generell erfolgte die Publikation als Thinktank-Report und nicht in einem peer-reviewten Journal, was bedeutet, dass die Methoden und Daten keiner externen wissenschaftlichen Begutachtung unterzogen wurden. Manche Vergleichszeiträume und Erfolgskriterien bleiben vage. Diese Intransparenz erschwert es, die Ergebnisse abschließend zu bewerten.

 

Angesichts dieser Punkte halten selbst Befürworter fest, dass Islands Erfolg nicht einfach eins zu eins auf andere Länder übertragbar ist. Eine hoch diversifizierte Volkswirtschaft wie Deutschland mit ganz anderen Branchenstrukturen stellt z. B. ganz neue Herausforderungen dar. Zudem könnten kulturelle Faktoren (etwa Islands traditionell starke Gewerkschaften und egalitäre Arbeitskultur) eine Rolle gespielt haben, die nicht überall gegeben sind.

Fazit: Impulse für die Arbeitswelt – trotz offener Fragen

Trotz berechtigter Kritik liefert das isländische Experiment einen wertvollen Praxis-Beweis, dass kürzere Arbeitswochen möglich sind, ohne die Arbeitsleistung einzubremsen. Für HR-Verantwortliche und Führungskräfte weltweit sind das bemerkenswerte Signale: Mehr Zeitwohlstand der Mitarbeitenden kann Hand in Hand gehen mit gleichbleibender Performance. Gerade in Zeiten, in denen die junge Generation Z verstärkt auf Work-Life-Balance pocht, zeigen die Erkenntnisse aus Reykjavik, welches Potenzial in neuen Arbeitszeitmodellen steckt. Natürlich sind weitere Studien nötig – idealerweise breiter angelegt, mit solider wissenschaftlicher Begleitung – um die Langzeiteffekte und Grenzen der 4-Tage-Woche auszuloten. Doch schon jetzt gilt: Das Island-Experiment hat die Debatte befeuert und Unternehmen weltweit dazu inspiriert, traditionelle Arbeitszeitmodelle zu hinterfragen.

Ein deutscher Arbeitspsychologe brachte es auf den Punkt: Trotz möglicher Nachteile zeigt die isländische Studie vor allem, wie wichtig die Work-Life-Balance für die Zufriedenheit und Gesundheit der Beschäftigten ist. In diesem Sinne kann das Experiment als Weckruf verstanden werden. Die Kernbotschaft an Personalverantwortliche lautet: Flexible, mitarbeiterfreundliche Arbeitszeitmodelle sind nicht nur nice-to-have, sondern könnten sich als entscheidender Faktor für Produktivität, Arbeitgeberattraktivität und nachhaltigen Erfolg erweisen.

Die 4-Tage-Woche ist längst kein Hirngespinst mehr – Island hat es bewiesen.

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