Einführung
Sind wir auf Arbeit nicht alle wie eine Familie, arbeiten in einem hochdynamischen Umfeld und haben viel Spielraum unsere eigenen Ideen einzubringen? Wir könnten die Liste jetzt noch um einiges weiterführen und hätten damit vermutlich 90% des Inhalts aller Stellenanzeigen abgedeckt. Jede Person, die sich schon mal auf Jobsuche befunden hat, kennt die gängigen Floskeln und jede Person, die bereits eine Stellenanzeige schreiben musste, wird sie schon genutzt haben.
Doch wieso sind die gleichen Standardaussagen so häufig in Benutzung, was bedeuten sie eigentlich und wieso sind sie nicht automatisch richtig oder falsch? Das wollen wir in diesem Artikel einmal beleuchten.
Inhaltsverzeichnis
Wieso findet man in Stellenanzeigen so häufig die gleichen Floskeln?
Beginnen wir damit, uns dem „Warum“ zu widmen. Fragt man Leute, werden schließlich viele von Ihnen antworten, dass sie von den Floskeln wenig halten und im schlimmsten Fall sogar genervt sind. Die Nutzung von standardisierten Aussagen hat jedoch einige wichtige Gründe.
Rechtliche Grundlage
In vielen Fällen haben Floskeln in Stellenanzeigen rechtliche Hintergründe. Unternehmen müssen sich häufig an bestimmte Vorgaben halten und gewährleisten, dass ihre Ausschreibungen den Antidiskriminierungsgesetzen entsprechen. Stellenanzeigen dürfen dementsprechend in ihrer Formulierung keine Personen aufgrund ihres Alters, ihres Geschlechts, ihrer Ethnie, einer chronischen Krankheit oder Behinderung, ihrer Religion oder ihrer sexuellen Identität ausschließen.
Das Verfassen von rechtlich korrekten und neutralen Formulierungen kann bei manchen Themen Zeit in Anspruch nehmen und birgt ein gewisses Risiko. Es ist daher leichter und sicherer auf bewährte Formulierungen zurückzugreifen und diese in den Anzeigen zu nutzen.
Das bedeutet nicht, dass keinerlei Vorauswahl allein durch die Inhalte der Anzeige stattfinden darf. Es ist beispielsweise durchaus berechtigt zeitlich flexible Mitarbeitende zu suchen. Diese Einschränkung kann allgemein betrachtet werden und verstößt nicht gegen rechtliche Vorgaben aber selektiert bereits Personen aus, die durch einen streng getakteten Alltag nicht passen würden.
Floskeln als Marketinginstrument
Zusätzlich dazu sind Floskeln als Marketinginstrument zu betrachten. Aussagen mit Marketingsprech und Buzzwords zu versehen und Sätze wie „dynamisches Umfeld“ oder „junges Team“ zu nutzen, kann potenzielle Bewerber anziehen und ein positives Bild des Unternehmens zeichnen.
Beispielsweise, wenn die Branche und Konkurrenz eher für starre Hierarchien und sehr konservative Unternehmensführung bekannt ist. Allerdings befinden wir uns hier auch in den Aussagen, welche am ehesten auf Ablehnung stoßen.
Es kann nämlich auch kontraproduktiv sein, da die immer gleichen Phrasen wenig Information über die tatsächliche Unternehmenskultur oder den Job selbst vermitteln. Das Problem: die Floskeln werden so stark verbreitet genutzt, dass sie ihren Wert verlieren und oftmals gar nicht notwendig sind. Ein Softwareentwickler brauch definitiv nicht mit einem dynamischen Umfeld zu werben, da Personen, die in dem Bereich tätig sind, wissen, dass die Branche eine gewisse dynamische Arbeitsweise innehat.
Notwendige Inhalte einer Stellenanzeige als Begründung
Ein weiterer Grund für die häufige Verwendung von Floskeln in Stellenanzeigen ist die Notwendigkeit, bestimmte Inhalte zu kommunizieren. Die Anforderung, eine Stellenanzeige präzise und dennoch ansprechend zu gestalten, führt dazu, dass Personaler oft auf bewährte Formulierungen zurückgreifen.
Ebenfalls fassen Floskeln oftmals verschiedene Punkte zusammen und kürzen somit den Inhalt der Anzeige. Das ist löblich und richtig, da lange Absätze abschreckend wirken aber spart an der falschen Stelle.
Es mag einfacher sein, auf bekannte Floskeln zurückzugreifen, als jeden Text individuell zu gestalten. Dies kann jedoch dazu führen, dass Bewerber sich in einem Meer von Klischees und vagen Aussagen verloren fühlen.
Hier können wir nur raten, beschreibt die Aufgaben lieber mit mehr Details als auf Floskeln zurückzugreifen. Dass im Marketing die „Gestaltung von Werbemitteln“ ein Aufgabengebiet ist, liegt meist auf der Hand. Nutzt hier gerne ein wenig mehr Platz und geht beispielsweise konkret darauf ein, um welche Arten von Werbemitteln es sich handelt.
Gängige Floskeln und ihre negative Bedeutung
Viele Floskeln, die wir in Stellenausschreibungen finden, haben negative Konnotationen. Wenn wir etwa lesen „wir suchen einen Alleskönner“, könnte dies darauf hindeuten, dass das Unternehmen überlastet ist und die Aufgaben nicht gleichmäßig verteilt sind. Ein „dynamisches Unternehmen“ könnte auch bedeuten, dass es oft zu chaotischen Zuständen kommt.
Gehen wir also mal kurz, knapp und stark überspitzt auf einige der bekanntesten Floskeln bzw. Buzzwords und ihre potenzielle negative Bedeutung ein, bevor wir danach auch die positiven Interpretationen einbeziehen bzw. einige Verbesserungsvorschläge liefern.
- Du besitzt Begeisterungsfähigkeit:
- Der Job ist stupide und unterfordert psychisch so stark, dass ohne Begeisterungsfähigkeit das Bore-Out keine 3 Wochen dauert.
- Wir sind ein dynamisches und innovatives Unternehmen
- Es gibt in diesem Unternehmen keinerlei Struktur und neue Ideen werden kontinuierlich direkt hochpriorisiert, wodurch Chaos herrscht und das so wichtige Projekt der vergangenen Woche bereits wieder ad acta gelegt wurde.
- Bei uns herrscht eine familiäre Atmosphäre
- Überstunden und Mehrarbeit werden nicht vergütet oder gedankt, weil man der Familie ja gerne hilft und füreinander da ist.
- Wir bieten ein attraktives Gehalt
- Attraktivität liegt im Auge des Betrachters und nur weil der Chef findet, dass dieses Einstiegsgehalt vor 20 Jahren als er jung war attraktiv gewesen wäre, musst du es auch attraktiv finden.
- Arbeite in einem kollegialen Umfeld
- Wir haben nichts weiter zu bieten und müssen daher betonen, dass du in einem Umfeld mit Kollegen zusammen am gleichen Ziel arbeitest. Überraschung!
- Du verfügst über eine gute Belastbarkeit und bist kritikfähig
- Sag deiner Work-Life-Balance adieu und stell dich darauf ein, dass du auf persönlicher statt sachlicher Ebene kritisiert wirst
- Sag deiner Work-Life-Balance adieu und stell dich darauf ein, dass du auf persönlicher statt sachlicher Ebene kritisiert wirst
Was sie aber auch bedeuten können: gängige Floskeln und ihre positive Bedeutung
Letztlich können diese Floskeln auch positiv interpretiert werden. Vorsicht ist immer gut, aber es ist wichtig, die Kontexte zu berücksichtigen und Floskeln trotz ihrer allgemeineren Formulierung in den Kontext der Stelle, des Unternehmens und des Arbeitsinhalts zu setzen. So können sie oft auch als tatsächliche Hinweise auf die Unternehmenskultur werden. Daher nun einmal unsere Beispiele aus der positiven Perspektive und beispielhaft in einen Kontext gesetzt.
- Du besitzt Begeisterungsfähigkeit:
- Die gebotene Position hat Führungsverantwortung inne. Wer ein Team leitet, muss diese motivieren und begeistern können. Alternativ: die zu besetzende Position berührt im Arbeitsalltag ein spannendes und breites Spektrum an diversen Fachgebieten und Arbeitsbereichen. Es ist daher von Vorteil sich auch für neue und fremde Themen begeistern zu können.
- Die gebotene Position hat Führungsverantwortung inne. Wer ein Team leitet, muss diese motivieren und begeistern können. Alternativ: die zu besetzende Position berührt im Arbeitsalltag ein spannendes und breites Spektrum an diversen Fachgebieten und Arbeitsbereichen. Es ist daher von Vorteil sich auch für neue und fremde Themen begeistern zu können.
- Wir sind ein dynamisches und innovatives Unternehmen
- In unserem Unternehmen möchten wir nicht auf veraltete Abläufe beharren, nur weil es „schon immer so gemacht wurde“. Deine eigenen Ideen und Optimierungsvorschläge werden gerne angenommen und gehört und du kannst aktiv die Arbeitsweise mitbestimmen.
- In unserem Unternehmen möchten wir nicht auf veraltete Abläufe beharren, nur weil es „schon immer so gemacht wurde“. Deine eigenen Ideen und Optimierungsvorschläge werden gerne angenommen und gehört und du kannst aktiv die Arbeitsweise mitbestimmen.
- Bei uns herrscht eine familiäre Atmosphäre
- Wir sind alle gleichberechtigte Mitglieder und möchten, dass alle gut ihre Aufgaben bewältigen können. Falls es Kritik gibt, herrscht bei uns keinerlei Grund zur Sorge diese offen und ehrlich zu äußern
- Wir sind alle gleichberechtigte Mitglieder und möchten, dass alle gut ihre Aufgaben bewältigen können. Falls es Kritik gibt, herrscht bei uns keinerlei Grund zur Sorge diese offen und ehrlich zu äußern
- Wir bieten ein attraktives Gehalt
- Wir wissen wie viel in der Branche bezahlt wird und wie viel das Fachwissen wert ist. Mit diesen Infos im Hinterkopf, können wir stolz behaupten, dass die Vergütung dennoch darüber liegt und somit attraktiver ist als woanders.
- Wir wissen wie viel in der Branche bezahlt wird und wie viel das Fachwissen wert ist. Mit diesen Infos im Hinterkopf, können wir stolz behaupten, dass die Vergütung dennoch darüber liegt und somit attraktiver ist als woanders.
- Arbeite in einem kollegialen Umfeld
- Wir arbeiten nicht jeder für sich, sondern miteinander und helfen einander. Urlaubsvertretungen, spontane Ausfälle oder andere Situationen kriegen wir gemeinsam locker gestemmt.
- Du verfügst über eine gute Belastbarkeit und bist kritikfähig
- In deiner Position bist du das Gesicht zum Kunden, kommunizierst mit vielen Teams, stellst die Ergebnisse vor und bist die Ansprechperson, wenn es zu Problemen kommt. Dies wird gut vergütet aber erfordert, dass man auch mit unangenehmen Situationen umgehen kann und schlechte Ergebnisse vertritt. Ohne hohe Resilienz kann es Auswirkungen auf die Psyche haben.
Floskeln müssen nicht unbedingt negativ sein
Wie man an den Beispielen sehen kann, können (richtig eingeordnet) Floskeln eine ganze Menge an Informationen bieten und durchaus sinnvoll sein. Wie eingangs erwähnt haben sie rechtliche Gründe, sparen Zeit oder erlauben schlichtweg die Anzeige schlank zu halten. Es bedarf ein wenig Hintergrundwissen zum Unternehmen und der Stelle, um die Floskeln korrekt zu interpretieren.
Dementsprechend zeigen unsere positiven Beispielen deutlich, wie wichtig weiterführende Informationen für diese Einordnung sind. Unternehmen sollten nicht erwarten, dass Jobsuchende beim Lesen der 15. Stellenanzeige noch so viel Hintergrundwissen zur Firma sammeln, wie sie es bei der ersten Anzeige ihres Wunschbetriebes getan haben. Daher: Präzision in den Aussagen ist das A und O!
Nehmt euch die Zeit und den Platz in der Anzeige und beschreibt, wieso „Kritikfähigkeit“ wichtig ist oder warum das Gehalt „attraktiv“ ist und was „innovativ“ für euch im Arbeitsalltag bedeutet. Erklärt auch in den Aufgaben lieber zu viel als zu wenig aber haltet euch dabei kurz und vermeidet lange Sätze. Nutzt Stichpunkte und Aufzählungen. Sucht nicht nach jemanden mit „fortgeschrittenen Programmierkenntnissen“, sondern gebt einfach direkt den Tech-Stack an.
Spart dafür an anderer Stelle ein und lasst wirklich leere Phrasen und Selbstverständlichkeiten weg. Es bedarf keiner Erwähnung eines kollegialen Teams, denn Teamarbeit beruht auf gegenseitiger Hilfe. Pünktliches Gehalt als Benefit aufzuzählen ist eher rufschädigend und ebenfalls eine Selbstverständlichkeit.
Stellenanzeigen schreiben ist eine Kunst für sich und bedarf Übung aber mit Rücksicht auf die genannten Punkte geht es definitiv bereits in die richtige Richtung.
Wieso der Kontakt mit Recruitern helfen kann
Abschließend möchten wir noch darauf eingehen, wieso für Jobsuchende der Kontakt mit Recruitern enorm helfen kann.
Sollte ein Angebot im Postfach landen und die Stellenanzeige viele unklare Floskeln beinhalten, ist der direkte Kontakt mit Recruitern der beste Weg, hinter die Kulissen einer Stellenanzeige zu schauen. Ein persönliches Gespräch kann oft mehr Informationen liefern, als eine schriftliche Ausschreibung jemals könnte.
Fragen wie „Was bedeutet ‘flexible Arbeitszeiten konkret?“ oder „Wie sieht das Team wirklich aus?“ können von den zuständigen Recruitern in den meisten Fällen direkt ausführlich beantwortet werden. Sie können auch über die spezifischen Herausforderungen und Ziele im Unternehmen informieren, die in der Stellenausschreibung nicht zur Sprache kommen.
Das Beste: das Recruiting ist für gewöhnlich die Instanz vor den eigentlichen Personalverantwortlichen und somit nicht Entscheidungsträger, wenn es um die Einstellung geht. Das hat zur Folge, dass keinerlei Scheu für „dumme Fragen“ oder ausgiebige Informationen zu einzelnen Punkten der Stellenanzeige vorhanden sein brauch.
Es liegt im Interesse von Recruitern passende Bewerbende vorzustellen und ob eine Stelle passt oder nicht, entscheiden immer zwei Seiten. Scheut euch also nicht das direkte Gespräch zu suchen und auch offen Punkte der Anzeige zu hinterfragen oder weitere Informationen einzuholen. In den Kennenlerngesprächen geht es um einen unverbindlichen Austausch.
Wir bei den TALENTLOTSEN sind Profis in dem Bereich der Direktansprache und haben mit innovativen Methoden einen neuen Weg gefunden, die besten Talente für eine offene Stelle zu identifizieren. Sprecht uns uns gerne an!
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