Rechte von Arbeitgebern bei Zweifeln an Krankschreibungen

Einführung

Vor einiger Zeit sorgte der Elektroautohersteller Tesla für Diskussionen in der deutschen Arbeitswelt, als bekannt wurde, dass Führungskräfte des Unternehmens krankgeschriebene Mitarbeitende zu Hause aufsuchten. Diese Besuche ausgehend vom Tesla-Werk in Grünheide sollten die Legitimität von Krankmeldungen überprüfen und lösten Empörung und Unsicherheit bei den Mitarbeitenden aus.

Es stellte sich die Frage: unter welchen Bedingungen dürfen Arbeitgeber Krankmeldungen anzweifeln, und welche Rechte stehen ihnen in solchen Fällen zu?

Inhaltsverzeichnis

Wann Arbeitgeber Zweifel an Krankschreibungen haben können

Eins vorweg: Wir möchten mit diesem Artikel nicht dazu ermutigen, Krankschreibungen grundsätzlich anzuzweifeln. Krankschreibungen sichern Arbeitnehmende im Krankheitsfall ab und dokumentieren ihre Arbeitsunfähigkeit. In der Regel wird einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ein hoher Beweiswert zugemessen, und das zu Recht. Dennoch gibt es Situationen, in denen Arbeitgeber berechtigte Zweifel haben können. Die Gründe dafür können vielfältig sein:

  • Unplausible Krankheitsverläufe: Wenn Symptome oder Krankheitsverlauf ungewöhnlich erscheinen oder die Genesungsdauer überdurchschnittlich lang ist, kann dies Verdachtsmomente wecken.
  • Häufige, kurze Krankmeldungen: Regelmäßige Kurzzeiterkrankungen, die häufig vor oder nach Wochenenden oder Feiertagen auftreten, können auffallen.
  • Timing der Krankmeldung: Wenn eine Krankmeldung genau zum Zeitpunkt einer Abmahnung oder kurz vor einer Kündigung eingereicht wird, kann dies Zweifel wecken.

 

Diese Verdachtsmomente allein sind jedoch meist nicht ausreichend, um rechtlich gegen eine AU vorzugehen. Wenn der Arbeitgeber Zweifel anmelden möchte, muss er konkrete Umstände darlegen und im Streitfall beweisen können. Zweifel können auch aus der Bescheinigung selbst entstehen, etwa wenn sie gegen medizinische Vorgaben der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie verstößt, was ihren Beweiswert mindern kann. Formale Fehler ohne medizinische Relevanz sind jedoch unbeachtlich.

Warum Arbeitgeber Krankschreibungen infrage stellen wollen

Für Unternehmen können unzulässige oder unberechtigte Krankmeldungen ernsthafte Auswirkungen haben. Übermäßige Abwesenheiten, die womöglich nicht gerechtfertigt sind, führen zu erhöhten Betriebskosten, zusätzlichem Arbeitsaufwand für andere Mitarbeiter und einer geringeren Produktivität. Insbesondere in kleinen Betrieben kann der regelmäßige oder unverhältnismäßige Ausfall einzelner Mitarbeitenden gravierende Auswirkungen auf den Betriebsablauf haben. Arbeitgeber haben daher ein berechtigtes Interesse, Missbrauch zu verhindern, um sowohl die Fairness gegenüber der Belegschaft zu wahren als auch den reibungslosen Geschäftsbetrieb sicherzustellen.

Rechtliche Möglichkeiten für Arbeitgeber bei Zweifeln

Besteht ein begründeter Verdacht, haben Arbeitgeber in Deutschland verschiedene Optionen, um die Rechtmäßigkeit einer Krankmeldung zu überprüfen:

  • Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK): Arbeitgeber können eine Überprüfung der AU durch den MDK veranlassen, wenn berechtigte Zweifel bestehen. Der MDK prüft dann, ob die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich gegeben ist. Arbeitgeber müssen jedoch plausible Gründe vorlegen und können diese Möglichkeit nicht willkürlich einsetzen.
  • Hausbesuche: Hausbesuche, wie im Fall von Tesla, sind ein rechtlich umstrittenes Mittel und dürfen nicht ohne Weiteres erfolgen. Das Bundesarbeitsgericht betont, dass Hausbesuche nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig sind. Laut Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht, sind sie nur erlaubt, wenn ein berechtigter und datenschutzkonformer Zweck vorliegt und die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. In der Praxis wird dies jedoch meist nur bei konkretem Missbrauchsverdacht infrage kommen und auch dann nur, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Beschäftigte sind zudem nicht verpflichtet, die Tür zu öffnen oder Auskünfte zur Erkrankung zu geben, falls der Arbeitgeber unangekündigt vor der Tür steht.
  • Zusätzliche ärztliche Atteste: In einigen Fällen können Arbeitgeber verlangen, dass ein zweiter Arzt hinzugezogen wird, wenn Zweifel an der Richtigkeit des ersten Attests bestehen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Beweiswert der ersten Krankschreibung durch widersprüchliche Angaben bereits erschüttert ist.

Grenzen für Arbeitgeber bei der Anfechtung von Krankschreibungen

Trotz der genannten Möglichkeiten sind die Handlungsspielräume der Arbeitgeber begrenzt, um das Vertrauen in ärztliche Krankschreibungen zu schützen. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom Juni 2023 genießt eine ordnungsgemäß ausgestellte AU hohen Beweiswert, und der Arbeitgeber trägt die Beweislast, wenn er diesen infrage stellen möchte. Pauschale Zweifel ohne konkrete Anhaltspunkte sind rechtlich unzulässig.

Ulrich Sittard, ein Fachanwalt für Arbeitsrecht, betonte, dass widerspruchsfreie Atteste kaum angreifbar sind. Aber: Fälle von offensichtlichem Missbrauch, wie bei betrügerischen Absprachen zwischen Arbeitnehmenden und Ärzten, können sogar härtere Maßnahmen, wie außerordentliche Kündigungen, rechtfertigen.

Vorgehen im Falle des Zweifels

Trotz der genannten Einschränkungen gibt es wie zuvor erklärt Gründe und Situationen, in denen Arbeitgeber Zweifel anmelden können und sollten. Wichtig ist dabei, dass die Zweifel nachvollziehbar und angemessen formuliert werden, um ein gutes Arbeitsklima zu wahren und mögliche rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Arbeitgeber sollten eine klare Strategie haben, bevor sie Schritte unternehmen.

  • Dokumentation: Auffälligkeiten sollten genau dokumentiert werden, um im Bedarfsfall nachvollziehbar handeln zu können.
  • Einvernehmliche Lösungen bevorzugen: Gespräche mit Mitarbeitenden können Missverständnisse ausräumen und oft eine Eskalation verhindern.
  • Regelungen im Arbeitsvertrag prüfen: Arbeitgeber können bei wiederkehrenden Kurzzeiterkrankungen vertraglich festlegen, dass AU-Bescheinigungen bereits am ersten Tag der Krankmeldung erforderlich sind.
  • Juristische Rücksprache: Bevor Zweifel offiziell geäußert werden, sollte juristischer Rat eingeholt werden, um die arbeitsrechtliche Korrektheit des Vorgehens zu gewährleisten.

Fazit

Arbeitgeber haben in Extremfällen rechtliche Möglichkeiten, die Glaubwürdigkeit einer Krankmeldung infrage zu stellen. Die Möglichkeiten sind jedoch klar begrenzt, und die hohe Schutzfunktion des ärztlichen Attests sollte respektiert werden.

Wie so oft gilt: Kommunikation ist das A und O und bevor rechtliche Schritte eingeleitet werden, sollte das persönliche Gespräch gesucht werden. Falls es dennoch notwendig wird, ist eine sachliche, faktenbasierte Herangehensweise wichtig. Dies schützt Arbeitgeber und Arbeitnehmende gleichermaßen vor Missbrauch und sorgt für ein faires Arbeitsklima.

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